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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 29.06.2006


Esmas Geheimnis - Berlinale-Gewinnerfilm
Tatjana Zilg

Jasmila Zbanic beschreibt in ihrem Debüt die Beziehung zwischen einer Frau, die Opfer von Kriegsvergewaltigungen wurde, und ihrer Tochter auf feinfühlige und aufrüttelnde Weise. Preview am 2. Juli!




Das Sarajewo der Gegenwart: Esma (Mirjana Karanovic) lebt mit ihrer 12jährigen Tochter Sara (Luna Mijovic) in einer kleinen Wohnung in Grbavica. - Ein Stadtteil, in dem der Wiederaufbau nach dem Jugoslawienkrieg nur langsam vorangeht. Zwischen Mutter und Tochter besteht eine enge Bindung, doch Esma entzieht sich immer wieder dem Kontakt und den Nachfragen über den angeblich als "Schechid", als Kriegsheld, verstorbenen Vater. Sie muss hart für das tägliche Überleben kämpfen. Die staatliche Unterstützung ist sehr bescheiden, weshalb sie einen Job als Kellnerin in einem Nachtclub annimmt. Da sie abends nicht mehr für ihre Tochter da sein kann, vergrößert sich der unsichtbare Riss in der Beziehung.
Die Arbeit fällt Esma schwer. Sie freundet sich mit einer Tänzerin an, aber als diese einen ihrer freizügigen Auftritte hat, muss Esma ihr innerliches Aufgewühltsein verbergen. Der Lärm, die grobe Sprache, der Sexappeal - das alles lässt seelische Wunden aufbrechen.

Ihr Kollege Pelda (Leon Lucev), ein Bodyguard, versucht sie etwas zu unterstützen und ihr den Einstieg in Arbeit zu erleichtern. Die Beiden treffen sich bald auch im normalen Leben außerhalb des Nachtclubs, wo sie in intensiven Gesprächen ihr Schicksal, das durch den Krieg komplett verändert wurde, miteinander teilen. Aber Esma gelingt es nicht, ihn näher an sich heranzulassen. Pelda zieht sich zurück und teilt ihr schließlich mit, Bosnien verlassen zu wollen.

Auch das Geheimnis, das sie vor ihrer Tochter bewahrt, wird brüchig. Seit einiger Zeit ist Saras Schulklasse wegen einer bevorstehenden Klassenfahrt in Aufregung. Der Lehrer fordert die SchülerInnen auf, den Eltern mitzuteilen, dass die Reisekosten nun bezahlt werden müssen. Für Kinder von Schechids gibt es einen Preisnachlass. Als Esma es ständig hinausschiebt, Sara eine entsprechende Bestätigung mitzugeben, wird der temperamentvolle Teenager misstrauisch und wütend.
Schließlich stellt sie die Mutter in einem heftigen Streit zur Rede, worauf diese ihr die Wahrheit entgegenschleudert. Eine sehr vehemente, plötzliche Auflösung des Geheimnisses, aber auch eine große Chance für einen Neuanfang.

Der Film wird in Deutschland im Rahmen von Benefizveranstaltungen von medica mondiale gestartet: In 14 deutschen Städten werden die Zuschauerinnen und Zuschauer am 2. Juli den ersten Spielfilm der bosnischen Nachwuchsregisseurin sehen und gleichzeitig auch direkt etwas für die Frauen aus Bosnien tun können. Die Hälfte des Erlöses jeder Kinokarte bei den Previews sowie die Spenden aus der Kooperation gehen an die medica mondiale-Partnerorganisation in Zentralbosnien, das Frauentherapiezentrum Medica Zenica. Die Gynäkologin Dr. Monika Hauser gründete Medica Zenica 1993 und legte damit den Grundstein zu medica mondiale.

"Sexualisierte Gewalt, wie sie Frauen und Mädchen in allen Kriegs- und Krisengebieten dieser Welt erlebt haben, ist ein massiver Angriff auf die Persönlichkeit, auf das intimste Selbst der Seele. Viele tragen diese unsichtbaren Wunden lange Zeit mit sich. Nicht nur Frauen aus den aktuellen Kriegsgebieten unserer Zeit, sondern auch die älteren Frauen unter uns wissen: Der Krieg ist vorbei, aber der tiefe Riss an der Seele ist geblieben." (medica mondiale)

In Berlin lohnt es sich besonders, zur Benefiz-Preview zu gehen: Am Sonntag, dem 2. Juli, wird im Anschluss an die Vorstellung im Kino International um 11:30 ein Publikumsgespräch mit Jasmila Zbanic, Mirjana Karanovic, Luna Mijovic und Dr. Monika Hauser stattfinden, die Moderation führt Bettina Böttinger.

AVIVA-Tipp: Ein sehr engagierter Film über ein schwieriges Thema, der es den ZuschauerInnen leicht macht, mit Mutter und Tochter mitzufühlen und das Ausmaß der Traumatisierung zu begreifen - und dennoch das Kino in einer optimistischen, nachdenklichen Stimmung zu verlassen.


Esmas Geheimnis
Drehbuch und Regie: Jasmila Zbanic
Kamera Christine A. Maier
DarstellerInnen: Mirjana Karanovic (Esma) Luna Mijovic (Sara) Leon Lucev (Pelda) Kenan Catic (Samir) Jasna Ornela Berry (Sabina) Dejan Acimovic (Cenga) Bogdan Diklic (Saran) Emir Had`ihafizbegovic (Puska)
Verleih: Noir Film
Kinostart: 06.07.2006

Der Film im Web: www.coop99.at/grbavica_website



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Beitrag vom 29.06.2006

AVIVA-Redaktion